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fünf stadien einer grenzliebe

von

Myriam Keil

 

I. traum

wir kamen aus hier
und aus da, sprachen deutsch
und sprachen polnisch,
englisch kannten wir beide.
wir waren gleich
vor dem gesetz
und hatten würde, unantastbar
an manchen tagen.

ich nehm' dich mit, sagtest du,
da wo ich herkomme,
ist es anders, aber du wirst
es lieben, wirst mich lieben
und vielleicht
werden wir glücklich sein.

zwischen zeitraffer-begegnungen
eines kurzen sommers
spielten wir verstecken.

wir wussten nichts.

 

II. versuch

 

ich folgte dir ins woanders,
die tage wurden kürzer
im abdruck deines lachens,
den wolken lief
die zeit davon
und ich erkannte, wir waren
verschieden, wurden
verschieden gemacht,
obwohl gleich im anfang.

indes zerstäuben wollte ich
mein lächeln auf deiner haut,
unverwundbar uns zu machen,
meinen wünschen gab ich
neunzig wochen
zum überleben, du warst
ein regenguss, wenn ich ihn brauchte,
sonne manches mal,
aber selten blieb
etwas übrig vom tag.

der versuch ist strafbar.

 

III. hoffnung

 

den wassern endete
ihr wellenschlag
an steinigen ufermauern.
unter meinen händen, die
mit heißen schritten dich berührten,
stieg kälte auf, ich wollte
nur vergessen, wollte
mich atmen in die stille, die leis'
dein helles lachen trug.

vielleicht träumt uns einer
zurück in die unverwundbarkeit
jener tage,
wo die strahlen unserer sonne
nicht sterben mussten,
vielleicht
hört auf zu sein, was uns
zu lang begleitet hat.

ich dreh' mich nicht um.

 

IV. abbruch

 

ich habe geatmet,
luft so wie du, und ich
kann nicht mehr glauben,
denn ich verliere
mich und meine ziele
in den resten deiner worte,
doch heute bin ich
in gedanken ein sieger
zwischen allem und nichts.

irgendwo in deinem kopf sitzt
etwas, das ich nicht kenne. vielleicht
kommt es aus dem woanders.
die wiesen der fremde sind heut'
dem tiefschlaf entwachsen,
mein koffer gespickt
mit erinnerungen
an baldiges vergessen.

ich glaube an wunder
schon lange nicht mehr.

 

V. reflexion

 

ich schweige am morgen
und am mittag, für den abend
spare ich mein taschengeld,
durchblättere die alten seiten
meines tagebuchs, wir wollten
doch nur glücklich sein und
wir träumten
eine verfassung für uns beide,
doch wir verstanden nicht
der worte strengen reim.

im heute zählen unsere gefühle
längst nicht mehr, wir haben
das sprechen verlernt,
das wort des anfangs ging
verloren zwischen paragraphen,
nahm seinen weg
unaufhaltsam,
zum tödlichen pfeil gespitzt,
dabei wollten wir doch nur
das anderssein mit füßen treten.

 

2005

Myriam Keil